Wir hatten die Möglichkeit mit Clemens von Walzel, Kommunikationsmanager beim Netzbetreiber Netze BW, zur Gestaltung und Umsetzung des aktualisierten Gesetzes rund um die Drosselung von Wärmepumpen und Ladestationen (§14a EnWG) in der Praxis zu sprechen und für euch zusammenzustellen, was genau Nutzer:innen erwartet.
Kurz zusammengefasst
Das ab Januar 2024 greifende Gesetz soll den Ausbau von Elektromobilität und Wärmepumpen durch den schnelleren Anschluss dieser beschleunigen
Niemandem wird "der Strom abgedreht". Es können nur Wärmepumpen und Ladestationen angesprochen und auf max. 4,2 kWh gedrosselt werden
E-Ladestation: Bei einer Drosselung auf 4,2 kWh kann in 2h der Gegenwert von ca. 50 km Reichweite geladen werden (Verbrauch: 16 kWh/100km)
Die Umsetzung erfolgt zukünftig mittels Smart Meter, Gateway und entsprechender Steuerungstechnik
"Unser Stromnetz ist leistungsstark und aktuell besteht überhaupt kein Bedarf zur Leistungsbegrenzung."
Herr von Walzel, das Gesetz wurde zur weiteren Sicherstellung der Netzstabilität in Deutschland erlassen. Dennoch gilt die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts als sehr gering. Wieso ist das Gesetz dann (aus der Praxis betrachtet) überhaupt notwendig?
Das Ziel der 14a-Festlegungen ist nicht die systemweite Netzstabilität in Deutschland sicherzustellen, sondern vielmehr den zügigen und sicheren Ausbau der E-Mobilität und Wärmepumpen zu ermöglichen.
Mit der neuen Festlegung nach §14a dürfen steuerbare Verbrauchseinrichtungen ohne Wartezeit am Stromnetz angeschlossen werden. Damit es hier zu keiner Netzüberlastung kommt, darf der Netzbetreiber im seltenen Bedarfsfall bei einer drohenden Netzüberlastung die Leistungsaufnahme aus dem Stromnetz “dimmen”.
Wurden die Inhalte des neuen Paragraphen maßgeblich von der Bundesnetzagentur (BNetzA) entwickelt, oder waren hier auch die Netzbetreiber involviert?
Den BNetzA-Festlegungen ging ein umfangreiches zweistufiges Konsultationsverfahren voraus, an dem auch wir Netzbetreiber teilnahmen. Dabei wurden Meinungen und Stellungnahmen eingeholt, um sicherzustellen, dass die regulatorischen Entscheidungen gut informiert und ausgewogen sind.
Was sich der eine oder andere Privathaushalt nun fragen wird: Wie wird die Drosselung technisch überhaupt umgesetzt?
In Zukunft soll die technische Umsetzung der Steuerung bzw. Drosselung nach §14a EnWG über standardisierte Intelligente Messsysteme (d.h. Smart Meter mit Gateway) mit Steuerbox erfolgen.
Anm. d. Red.
"Intelligente Messsysteme" sind fortschrittliche Messgeräte, die über moderne Kommunikationstechnologien verfügen und verschiedene Messdaten erfassen können, wie zum Beispiel den Energieverbrauch. Die "Steuerboxen" sind dabei Komponenten, die es ermöglichen, die Energiezufuhr zu steuern oder zu drosseln.
Die Idee hinter dieser Regelung ist, die Energieversorgung flexibler und effizienter zu gestalten. Durch die intelligente Steuerung kann beispielsweise in Zeiten hoher Netzbelastung oder geringer Verfügbarkeit erneuerbarer Energien die Energiezufuhr reduziert werden.
Das heißt aber nicht, dass jetzt bei jeder Kundenanlage sofort Steuertechnik eingebaut werden muss. Unser Ansatz sieht vor, dass jede neue Kundenanlage technisch vorbereitet wird, für eine spätere Nachrüstung mit Steuertechnik – sofern dies erforderlich wird.
Wichtig: Der Netzbetreiber greift nicht in den privaten Haushaltsstrom ein. Lediglich die Leistung von nach §14a EnWG angemeldeten steuerbaren Verbrauchseinrichtungen darf im Notfall begrenzt werden.
Welche Vorgaben/Regeln definieren, wo und ob eine Drosselung vorgenommen werden darf?
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat klare Vorgaben formuliert, die ein stetiges Monitoring des Netzzustands zugrundelegen.
Entsprechendes wurde in Anlage 1, Punkte 4.1 und 4.2 des Beschluss 👉🏻 BK6-22-300 zum Thema dokumentiert:
4.1 Im Fall einer strom- oder spannungsbedingten Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zulässigkeit seines Netzes, insbesondere aufgrund von Überlastungen der Betriebsmittel (Anm. d.R.: das heißt Trafos, Stromleitungen) eines Netzbereichs, ist der Netzbetreiber berechtigt und verpflichtet, den netzwirksamen Leistungsbezug der im betroffenen steuerbaren Verbrauchseinrichtungen im notwendigen Umfang zu reduzieren.
4.2 Die Reduzierung des netzwirksamen Leistungsbezugs muss geeignet und objektiv erforderlich sein, um die Gefährdung oder Störung zu verhindern oder zu beseitigen. Den Anlass zur netzorientierten Steuerung stellt der Netzbetreiber auf Basis der Netzzustandsermittlung fest.
Anm. d. Red.
Der Prozess der Analyse und Bewertung des aktuellen Zustands des Energieversorgungsnetzes wird als „Netzzustandsermittlung“ bezeichnet. Um festzustellen, wie gut das Netz funktioniert, stabil ist und ob es den regulatorischen Anforderungen entspricht, werden verschiedene Parameter und Kennzahlen berücksichtigt.
Wie wirken sich geplante Drosselungen auf den täglichen Gebrauch von Elektroautos aus, besonders im Hinblick auf das Laden über Nacht?
Diese Frage ist extrem wichtig mit Blick auf die Nutzer:innenakzeptanz, was sie damit natürlich auch für uns besonders wichtig macht.
Wir haben in unseren NETZlaboren umfangreiche Tests zum gesteuerten Laden durchgeführt.
Nach mehreren Jahren 👉🏻 Feldtests und über 100 Pilotkunden können wir sagen: Drosselungen der Ladeleistung haben beim Laden über Nacht keine nennenswerten Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten der Menschen. Die E-Autos waren am nächsten Morgen immer vollgeladen und die Nutzerakzeptanz durchgehend klasse.
Als Beispiel: Bei einer maximalen Reduzierung der Ladeleistung auf 4,2 kW, könnten in 2h dennoch ca. 8,4 kW nachgeladen werden. Bei einem E-Auto mit einem Verbrauch von 16kWh/100km würde dies bedeuten, dass in der Zeit der Reduzierung, dennoch ca. 50km nachgeladen werden können.
Manche Stimmen ließen auch verlauten, dass bei einer Drosselung das E-Auto ja an einer regulären Steckdose geladen werden könnte und man so nicht betroffen sei...
Da machen wir uns aus Netzsicht keine Sorgen. Der Grund dafür ist, dass die an der Wallbox verfügbare Leistung selbst bei einer Drosselung auf 4,2 kW immer noch deutlich höher ist als die maximale Leistung von 2 kW an einer regulären Steckdose (Schutzkontaktsteckdose). Ein Laden an der Steckdose bietet also keine Vorteile für den Kunden – wir raten sogar davon ab, weil sich die Steckdose erhitzen und Schäden auftreten können.
§14a EnWG zielt auf ab 2024 eingebaute Anlagen ab. Wie wird mit bereits früher eingebauten Anlagen umgegangen? Und wird in der Regelung zwischen Anlagen mit Sondertarif (z.B. Wärmepumpentarif) und regulärem Tarif unterschieden?
Die Bundesnetzagentur unterscheidet bei Bestandsanlagen, welche vor dem 1. Januar .2024 in Betrieb genommen wurden, zwischen folgenden Anlagengruppen:
Alte Steuerbare Verbrauchseinrichtungen, die bereits heute eine Vereinbarung mit Ihrem Netzbetreiber zur Steuerung abgeschlossen haben (das sind maßgeblich Wärmepumpen) müssen in das neue 14a-Modell überführt werden. Dafür gibt es aber eine Übergangszeit bis Ende 2028.
Alte Steuerbare Verbrauchseinrichtungen, die bislang keine Vereinbarung mit Ihrem Netzbetreiber zur Steuerung abgeschlossen haben (das sind maßgeblich Wallboxen) haben dauerhaften Bestandsschutz. Sie dürfen aber auf eigenen Wunsch in das neue 14a-Modell wechseln, sofern Sie die Voraussetzungen dafür erfüllen.
Nachtspeicherheizungen haben dauerhaften Bestandsschutz. Sie müssen und können nicht in das neue 14a-Modell wechseln.
Wie wird bei derzeit aufgrund der technischen Beschaffenheit nicht drosselbaren Wärmepumpen und Ladestationen verfahren?
Generell liegt die Verantwortung hierfür laut Bundesnetzagentur bei den Anlagenbetreiber:innen.
Bei Privathaushalten sind das dann die Hausbesitzer:innen bzw. diejenigen, denen Wärmepumpe und Ladestation gehören?
Korrekt. Sollte eine Umsetzung der Mindestleistung nicht möglich sein, muss die Anlage auf den nächstniedrigeren Wert begrenzt werden. Deshalb empfehlen wir, ab 2024 nur Geräte zu verbauen, die entsprechend steuerbar sind. Dabei ist zu beachten, dass bei haushaltstypischen Wärmepumpen die Leistung der Wärmepumpe häufig niedriger ist als die Mindestleistung von 4,2 kW. Das heißt im Bedarfsfall wird meist nur die elektrische Zusatzheizung begrenzt und die Wärmepumpe kann unbeschränkt weiterlaufen.
Bei bereits verbauten steuerbaren Verbrauchseinrichtungen (Bestandsanlagen) hängt es vom Einzelfall ab. Hier kann nur die ausführende Elektrofachkraft beraten was für eine Umsetzung möglich wäre. Die meisten Bestandsanlagen werden aber entweder bereits gesteuert oder haben Bestandsschutz.
Gilt eine Drosselung auch für Haushalte mit eigener Stromerzeugung, z.B. Photovoltaik-Anlagen, bzw. Ladestationen und Wärmepumpen, die von ebendiesen gespeist werden?
Der Netzbetreiber darf lediglich den netzwirksamen Leistungsbezug von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen begrenzen. Das ist, etwas einfacher formuliert, die Leistung, die aus dem Netz entnommen und direkt durch die Ladestation oder Wärmepumpe verbraucht wird.
Übersetzt bedeutet das: Die Anlagen dürfen uneingeschränkt den eigenerzeugten Strom der PV-Anlage nutzen. Lediglich die zusätzliche Leistungsaufnahme aus dem Stromnetz darf begrenzt werden.
Herr Walzel, mal etwas in die Zukunft geschaut: Manche äußern die Sorge, dass das Gesetz auch genutzt werden könnte, um den Netzausbau nicht weiter voranzutreiben. Wie schätzen Sie das ein?
Nein, die gesetzliche Verpflichtung zum Netzausbau bleibt von der Neuregelung unberührt. Vielmehr ist das Hauptziel dieser Regelung, die Zeit bis zum erfolgten Netzausbau zu überbrücken und dennoch die Kunden schnellstmöglich anzuschließen.
Die 14a-Festlegungen dienen in erster Linie dazu, steuerbaren Verbrauchseinrichtungen einen schnellen Netzanschluss zu gewähren und geben im Gegenzug dem Netzbetreiber die Möglichkeit, in begründeten Fällen die Leistung dieser Verbrauchseinrichtung zu reduzieren, um Netzengpässe zu vermeiden.
Welche Maßnahmen sind in diesem Zuge denn von Ihnen geplant, um die Netzinfrastruktur zu modernisieren und die Netzstabilität zu verbessern?
Wir werden weiterhin das Stromnetz in unserem Versorgungsgebiet für unsere Netzkunden bedarfsgerecht und zukunftssicher ausbauen. Allein im vergangenen Jahr haben wir 385 Mio. € in unser Stromnetz investiert. Im Jahr 2026 werden es sogar 730 Mio. € pro Jahr sein. In diesem Anstieg zeigt sich, dass die Energiewende im Verteilnetz stattfindet.
Kann der damit verbundene Roll-out von Smart Grids dazu beitragen, die Netzstabilität zu verbessern und die Notwendigkeit solcher Gesetze zukünftig reduzieren?
Der Rollout von Smart Grids ist – neben dem Netzausbau – ein wesentlicher Beitrag für eine schnelle und versorgungssichere Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und erneuerbarer Energien. Rechtliche Rahmenbedingungen wie die 14a-Festlegung werden dadurch ergänzt.
Inwiefern können erneuerbare Energien und dezentrale Energieerzeugung denn überhaupt zur Entlastung des Stromnetzes beitragen?
Das Ziel beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der dezentralen Energieerzeugung ist die Dekarbonisierung unseres Energiesystems, nicht die Entlastung des Stromnetzes. Vielmehr steigt mit dem starken Anstieg von Erzeugungsleistung der Bedarf an leistungsfähiger Netzinfrastruktur.
Herr, Walzel, wenn man ein Stück in die Verganenheit zurückblickt, wird man feststellen, dass schon länger Mechanismen zum Eingriff im Falle von Netzinstabilitäten in Kraft sind. Ein Stichwort: EVU-Sperre. Wie unterscheiden sich denn diese und die neue Regelung in der Umsetzung?
Die bisherige EVU-Sperre basierte in der Regel auf einer Vereinbarung des Netzkunden mit dem Netzbetreiber zum Erhalt von reduzierten Netzentgelten nach dem bisherigen §14a EnWG-Modell (bspw. Wärmepumpentarif). Der Netzbetreiber war gesetzlich verpflichtet, die 14a-Anlagen zu fest vereinbarten Tageszeiten zu sperren – auch wenn es keinen Engpass im vorgelagerten Stromnetz gab. Mit der neuen 14a-Festlegung wird die Steuerung bedarfsabhängig gemacht. Das bedeutet der Netzbetreiber darf nur noch “Drosseln”, wenn es einen akuten Anlass dafür gibt. Zudem wurde eine Mindestleistung eingeführt.
Jetzt haben wir im Zusammenhang mit dem Netzausbau, Smart Grid Roll-Out und Co ja auch über die daraus resultierende langfristige Sicherstellung der Netzstabilität gesprochen: Wird §14a EnWG bei einem erfolgreichen Netzausbau dann praktisch obsolet, was das Gesetz also nur zu einer temporären Angelegenheit machen würde?
Das Ziel der 14a-Festlegung ist tatsächlich den Netzbetreibern ein Instrument an die Hand zu geben für die Übergangszeit bis zum erfolgten Netzausbau. Da dies ein langjähriger Prozess ist können zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Aussagen über die zukünftige Erforderlichkeit getroffen werden.
Da solche auf den ersten Blick sehr einschneidenden Gesetzgebungen ja gerne mal für Rumoren sorgen: Sind Informationskampagnen geplant, um Verbraucher:innen über diese Maßnahmen zu informieren?
Die Information unserer Netzkunden und Verbraucher ist uns wichtig. Dafür haben wir explizit für Verbraucher:innen auf unserer Homepage 👉🏻 Informationen zu den neuen 14a-Regelungen veröffentlicht. Zudem sind wir in engem Austausch mit den ausführenden Elektroinstallateurinnen und Elektroinstallateuren und bieten für diese Infoveranstaltungen und Schulungen an. Abschließend sind unsere Kolleg:innen vom Anschlussservice geschult um Netzkund:innen bei spezifischen Fragen rund um §14a EnWG zu unterstützen.
Herr Walzel, vielen Dank für das Gespräch. Zum Abschluss: Was würden Sie Personen gerne noch mitgeben, die sich Sorgen machen, dass ihnen "der Strom abgedreht" wird?
Ich kann hier natürlich erst einmal nur für das von uns betreute Versorgungsgebiet sprechen. Unsere Kundinnen und Kunden müssen sich hier jedoch keine Gedanken machen. Unser Stromnetz ist leistungsstark und aktuell besteht überhaupt kein Bedarf zur Leistungsbegrenzung. Und sollte es zukünftig doch einmal dazu kommen, dann haben unsere NETZlabore gezeigt, dass der Kundenkomfort auch bei Drosselung sichergestellt ist.
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